November 1943: Der erste Transport aus dem KZ Neuengamme erreicht Bremen-Farge
Eingang des KZ-Außenlager Farge, August 1944, Foto: Johann Seubert, © Bundesarchiv Berlin
Im November 1943 erreichte der erste Häftlingstransport aus dem Stammlager Neuengamme das neu errichtete KZ-Außenlager Bremen-Farge, das ausdrücklich zur Unterstützung des Bunkerbaus errichtet worden war. Nach einem Außenlager in Hamburg und dem Außenlager Salzgitter-Drütte war es das drittgrößte Außenlager des KZ Neuengamme, das zwischenzeitlich bis zu 2 400 Gefangene zählte.
Das Besondere am KZ Außenlager Farge war, dass es nur zu geringen Teilen aus Baracken bestand. Der zentrale Haftort war ein unterirdischer Treibstofftank, der zu einem zwischen 1939 und 1941 errichteten Treibstofflager der Kriegsmarine gehörte. Dieses Lager war nie in Betrieb gegangen, weil die Marine ihre Stützpunkte längst an die französische und skandinavische Küste verlegt hatte. Stattdessen wurden die Tanks anders genutzt: Als Lager für Nebelsäure und Schiffsausrüstungen.
Die Lebensbedingungen in diesem Lager waren brutal. Raymond Portefaix, ein ehemaliger Häftling, berichtet von seiner ersten Begegnung mit dem Tank: „Ich ging irgendwo in der Mitte. Näher am Ende. Und ich sah, dass da eine kleine Bude stand. Und wir sehen, dass die ganze Kolonne da rein ging, aber nicht wieder raus kam. Da stellte sich heraus, dass das der Eingang zu einem Bunker war, der nach unten ging. Und die ganze Kolonne ging da rein und wir fragten uns, was wohl geschehen würde, aber am Ende zeigte sich, dass unten der Bunker war, in dem wir leben sollten.“
Über 700 Häftlinge des KZ-Außenlagers starben. Etwa die Hälfte kam in Farge ums Leben. Die andere Hälfte starb entkräftet und krank im Stammlager Neuengamme, oder nach der Auflösung des Lagers am 10. April, während der Todesmärsche an die Küste. Die häufigste Todesursache in Farge selbst waren Hunger und Gewalt. Das Essen der Häftlinge war – wie in den meisten Außenlagern – zum Überleben kaum ausreichend. Morgens gab es eine halbe Scheibe Brot, 5 g Margarine und einen halben Liter dünnen Kaffeeersatzes. Mittags folgte ein Liter Suppe und abends noch einmal ein halber Liter Suppe mit einem Stück Brot und 5 g Margarine. Der ehemalige Häftling Marian Hawling sagte: „Irgendwie schaffte ich es zu überleben, aber ich verlor Gewicht und wurde wieder zu einem „Muselmann“. Es war ein langsamer, aber ein konstanter Prozess. Mental war ich immer noch ziemlich stark, mein Überlebenswille war ebenso stark, aber körperlich ging es mit mir abwärts. Und je schlechter es einem ging, desto öfter wurde man geschlagen, desto öfter wurde man herumgeschubst, bis man die Grenze des Ertragbaren überschritten hatte.“
Marian Hawling überlebte das KZ Farge die Baustelle des Bunkers „Valentin“, den Todesmarsch und die Versenkung der „Cap Arcona“, auf die er gebracht worden war: „Ich erinnere mich, dass ich am zweiten Tag, nachdem ich von der Cap Arcona an Land geschwommen war, auf meinen geschwollenen Beinen irgendwo hinging. Ich konnte die Cap Arcona sehen, wie sie in der Lübecker Bucht auf der Seite lag und eine Menge Gedanken gingen mir durch den Kopf. Und eines wurde mir klar: Ich war gerade 20 Jahre alt, ich hatte ein langes Leben vor mir und würde ich den Rest meines Lebens damit verbringen, über mein Leid zu sprechen, über die schrecklichen Dinge, die ich erduldet hatte, dann würde das mein Hirn vergiften. Also habe ich mich entschlossen, alles aus meinem Gedächtnis zu streichen, so weit fortzugehen, wie nur möglich und alles zu vergessen, wenn ich kann. Und das habe ich getan. Ich bin weit genug weg gegangen, ich hätte nicht weiter weg gehen können.“
Der Treibstofftank, der für Hawling, Portefaix und viele andere die Hölle auf Erden bedeutet hatte, wurde nach dem Krieg gesprengt und mit Erde überschüttet. Heute weist nur noch eine Tafel des Vereins Geschichtslehrpfad Lagerstraße auf das ehemalige KZ hin. Die Kommandanten und Wachmannschaften, die den Krieg überlebt hatten, wurden nie wieder behelligt.
Zeichnung des KZ-Außenlagers aus der Erinnerung des ehemaligen Häftlings René Desimeur, © KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Die Zeichnung deckt sich mit den Luftaufnahmen, die von der US-Airforce nach dem Krieg gemacht wurden.
SS-Offiziere (v.l.n.r.)im August 1944: SS-Unterscharführer Jahn, SS-Scharführer Sachau, Lagerführer Ulrich Wahl, SS-Oberscharführer Gehrt, im Hintergrund Wachturm mit Soldat, die Isolatoren an den Pfählen deuten darauf hin, dass der Zaun elektrifiziert war. , Foto: Johann Seubert, © Bundesarchiv Berlin