Geschichte

Historisches Journal

November 1944 – das Massensterben beginnt

Im März 1944 verfasste der Direktor der I. medizinischen Klinik des Universitätskrankenhauses Hamburg-Eppendorf, Prof. Dr. H.H. Berg ein Gutachten, in dem er ausführlich den gesundheitlichen Zustand der Gefangenen des Arbeitserziehungslagers der Bremer Gestapo, eines Lagers für sowjetische Kriegsgefangene und des KZ-Außenlagers Farge schilderte. Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass die Versorgung der Häftlinge mit Lebensmitteln angesichts der von ihnen täglich zu erbringenden Arbeitsleistung unzureichend sei. Als Folge sei damit zu rechnen, dass „bei Beibehaltung der derzeitigen Ernährungsverhältnisse fortlaufend progressive Ausfälle von Arbeitskräften entstehen, von denen ein großer Prozentsatz unrettbar verloren ist.“ Berg schlug vor: „Auffütterung der ernährungsgeschädigten reversiblen Fälle mit ausreichender Ernährung mit biologisch hochwertigem Eiweiss und ausreichend Gesamtkaloriengehalt, […].“

Offenbar wurde dieser zunächst Vorschlag umgesetzt, denn tatsächlich gab es neben der üblichen Ration aus Brot, dünner Suppe und Kaffeeersatz zumindest zweitweise an manchen Tagen auch Kartoffelbrei und Fleisch. Spätestens ab Herbst 1944 verschlechterte sich die Versorgungslage allerdings wieder. Die Sterblichkeit im KZ-Außenlager Farge stieg drastisch an. Zwischen April und Oktober 1944 waren 12 Todesopfer zu verzeichnen, allein im November starben dagegen bereits 21 Häftlinge, im Dezember 69 und im Januar weitere 46. Bis einschließlich April starben weitere 158 Menschen, in erster Linie an Unterernährung bei Schwerstarbeit und den entsprechenden Folgen, die Prof. Dr. Berg in seinem Gutachten geschildert hatte.

Für den Fotografen gestellt: Häftlinge des KZ-Außenlagers Farge beim Kartoffel-Schälen in der Lagerküche, Foto: Johann Seubert, August 1944
Copyright: Bundesarchiv Berlin

Kohlköpfe, gelagert in der Nähe des KZ-Außenlagers. Kohl war Hauptbestandteil der täglichen Nahrung, die von den Häftlingen „Bunkersuppe“ genannt wurde. Foto: Johann Seubert, 10. August 1944
Copyright: Bundesarchiv Berlin

Schlange stehen für die „Bunkersuppe“: Zwangsarbeiter warten vor der sogenannten Kantine auf die Ausgabe der Mittagsrationen, Foto: Johann Seubert, 23. August 1944
Copyright: Bundesarchiv Berlin

Reichspropagandaminister Joseph Goebbels interessierte das offenbar nicht. Im November 1944, als das Massensterben begann, besuchte er Bremen und die Bunkerbaustelle. Danach notierte er in seinem Tagebuch: „In der Nähe von Vegesack wird ein Riesen-U-Boot-Bunkerbau besichtigt, der zum großen Teil schon fertig gestellt ist. Er hat eine Betondecke von 7 m und scheint damit auch gegen die modernsten feindliche Bomben gefeit zu sein. Dieser Bau trägt wahren Mammut-Charakter. 8000 Arbeiter, insbesondere KZ-Sträflinge und sowjetische Kriegsgefangene, arbeiten daran. Die Arbeit geht rüstig vonstatten und ist Gott sei Dank schon so weit gediehen, dass nunmehr englisch-amerikanische Luftangriffe dem Bauvorhaben keinen ernsten Schaden mehr bereiten können.“

Insgesamt erlebten etwa 700 Häftlinge des KZ Farge das Kriegsende nicht. Viele starben allerdings nicht in Farge selbst, sondern während der Todesmärsche oder im Stammlager Neuengamme. Der älteste verstorbene Häftling in Farge hieß Simanis Muleniks. Er stammte aus Lettland und war zum Zeitpunkt seines Todes im September 1944 67 Jahre alt. Der jüngste war Paul Stuczak und stammte aus Drebischow in der ehemaligen Tschechoslowakei. Er starb kurz vor der Evakuierung des Lagers am 3. April 1945 und war zu diesem Zeitpunkt 13 Jahre alt.

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