Beginn der Bauarbeiten
Die Einrichtung der Baustelle begann im März 1943 mit Bodenuntersuchungen. Die Frankfurter Firma Keller sollte herausfinden, wie tief die Fundamente des geplanten Bunkers in die tiefe ragen mussten. Die Konstrukteure suchten nach einer Schicht Lauenburger Ton. Diese Erdschicht galt als so stabil, dass sie ein Bauwerk von der Größe des Bunkers „Valentin“ tragen konnte.
Totale Überwachung
Dieser allererste Arbeitsschritt wurde bereits von der alliierten Luftaufklärung dokumentiert. Die hellen Flecken, die auf dem Bild zu sehen sind, zeigen die Bohrlöcher. Die Alliierten dokumentierten den Baufortschritt in den folgenden Monaten in immer geringeren Abständen. 20 Mal überfolgen britische Aufklärer die Baustelle und lieferten teils gestochen scharfe Aufnahmen.
Laufende Dokumentation
Zu Beginn hielten Die Alliierten das Bauwerk an der Weser für eine U-Boot-Basis wie an der französischen Atlantikküste. Erst später wurde ihnen klar, dass es sich um eine Werft handelte. Vom Bunker „Valentin“ ging zu diesem Zeitpunkt allerdings keine Gefahr aus. U-Boote konnten dort weder gebaut, noch ausgerüstet, oder repariert werden. Stattdessen waren enorme Kräfte gebunden. Maschinen, Stahl, Zement, vor allem aber Arbeitskräfte. Deshalb verzichteten die Alliierten zunächst auf die Zerstörung des Rohbaus.
Realitätsverweigerung
Den Verantwortlichen auf der Bunkerbaustelle muss bekannt gewesen sein, dass der Bunkerbau überwacht wurde. Aber sie entschlossen sich, diesen Umstand zu ignorieren. So notierte Josef Goebbels Am 25. November in seinem Tagebuch: „In der Nähe von Vegesack wird ein Riesen-U-Boot-Bunkerbau besichtigt, der zum großen Teil schon fertig gestellt ist. […] Die Arbeit geht rüstig vonstatten und ist Gott sei Dank schon so weit gediehen, daß nunmehr englisch-amerikanische Luftangriffe dem Bauvorhaben keinen Schaden mehr zufügen können. [...] Man glaubt, im Laufe des Monats März im kommenden Jahr die ersten U-Boote hier in Fertigung nehmen zu können.“
Genaue Kenntnis und präzise Planung
Durch die Auswertung der Luftbilder, vermutlich auch durch Informationen aus dem Umfeld der Baustelle, wussten die Alliierten von den geplanten Ausmaßen des Bunkers „Valentin“. Sie beobachteten vor allem den Ausbau der Bunkerdecke. Anders als von Josef Goebbels erhofft, hielt sie Angriffen noch nicht vollständig statt. Ihre erste Schicht bestand aus etwa 4,60 Meter hohen Trägern, die mit Beton verfüllt wurden. Eine weitere Schicht von 2,50 sollte als Prallschutz dienen. Auf der Zeichnung sind die Bereiche markiert, in denen die Decke noch nicht ihre geplante Stärke erreicht hatte. Dort konnte sie durch Spezialbomben noch zerstört werden.
Angriff
Bevor das Bunkerdach fertig gestellt werden konnte, flog die britische Luftwaffe am 27. März 1945 einen Angriff. Zwei Bomben mit einem Gewicht von je 5,4 Tonnen und einem Zeitzünder trafen das Dach, wo es erst 4,60 Meter dick war. Die nachfolgenden Explosionen rissen zwei große Löcher in das Dach. Verantwortlich für die Zerstörung des Bunkers war die 617. britische Bomberstaffel, die den Namen "the Dambusters" - "Die Dammbrecher" trug. Diese Einheit flog Spezialeinsätze und hatte zum Beispiel Talsperren mit Rollbomben oder das Schlachtschiff "Tirpitz" zerstört. Zu ihren Zielen gehörten auch die U-Boot-Bunker in La Rochelle und Brest.
Augenzeugen
August K. war kein Zwangsarbeiter. Er arbeitete für eine deutsche Firma als Elektriker auf der Baustelle. In einem Brief an seine Familie schilderte er die Ereignisse des Vortags: „2 von den schweren Bomben haben die 4 Meter dicke Betondecke durchgeschlagen. Wir sind Hals über Kopf in den Luftschutzraum gelaufen. [...] Sehr viel Schaden ist angerichtet worden, mehrere Tote viele Verletzte hat es gegeben und es ist noch gar nicht festzustellen, wer alles fehlt. Von meiner Firma ist ein Franzose tot und einer verletzt worden. Die sind zu früh rausgegangen und wollten wohl sehen, was draußen passiert war und da ist ein Zeitzünder losgegangen. [...]“
Aus dem Tagebuch von Stanislaw Masny, 28. März 1945
Auch Häftlinge berichten von den Ereignissen: „Gestern war ein großer Luftangriff auf die Baustelle. Das Radio sprach von 200 Maschinen. Es wurden 600 Bomben abgeworfen. Sie explodieren auch jetzt noch. Heute haben wir frei. Die berühmte Bedeckung wurde an zwei Stellen von Bomben durchschlagen. (...) Von Sonntag auf Montag habe ich in Bremen gearbeitet. Ruinen und Trümmer. Stadt wie ausgestorben. Ich habe mich noch nie im Leben so überarbeitet. Sechs Stunden lang habe ich den Spaten nicht aus der Hand gelegt. Die verfluchten Soldaten von der Baustelle.“
Das Ende des Bunkerbaus
Am 1. April legte Erich Lackner, Leiter des Planungsbüros Agatz & Bock in Farge, einen Vorschlag für die Reparatur der Bombeneinschläge vor. Sie wurden nicht mehr umgesetzt. Stattdessen ordnete die Marinebauleitung die Einstellung der Bauarbeiten an. Was in den folgenden Tagen genau geschah, ist bis heute unklar. Einige Kriegsgefangene wurden in das Marinelager Westertimke gebracht. Die Insassen des „Arbeitserziehungslagers“ brachte die Gestapo mit LKW in das Hamburger Gestapogefängnis in Fuhlsbüttel. Die sowjetischen Kriegsgefangenen blieben vermutlich noch eine Zeit lang im Lager in der Rekumer Feldmark. Die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter im Lager Heidkamp, dem größten Lager im Umfeld der Baustelle, blieben vermutlich ebenfalls bis zur Ankunft britischer Truppen am 5. Mai 1945.
Für die KZ-Häftlinge im Außenlager Farge begann dagegen ein letztes brutales Kapitel ihrer Haft. Die marschfähigen Häftlinge wurden zu Fuß in Richtung KZ Neuengamme getrieben. Viele starben unterwegs. Die Überlebenden wurden auf die KZ-Schiffe „Cap Arcona“ und „Thielbeck“ gebracht. Die nicht mehr marschfähigen Häftlinge transportierte die SS mit Zügen ebenfalls Richtung Nordseeküste. Mindestens ein Transport endete im Kriegsgefangenenlager XB Sandbostel, das inzwischen auch als KZ-Außenlager diente.