Klaas Touber

Dienstverpflichtet

Klaas Touber Quelle: privat / Denkort Bunker Valentin

Klaas Touber wurde am 27. Juli 1922 in Amsterdam geboren. Als gelernter Schlosser sollte er 1943 Deutschland dienstverpflichtet werden. Touber kam der Anordnung nach, weil er um die Sicherheit seiner Eltern fürchtete.

Zwangsarbeit auf der Bremer „Vulkan“-Werft

Klaas Touber mit weiteren Zwangsarbeitern vor einer Baracke des Bremer Vulkan, Juni 1943 Quelle: privat / Denkort Bunker Valentin

Touber wurde nach Bremen gebracht, wo er beim Bremer „Vulkan“ arbeiten sollte. Der „Vulkan“ war eine auf den Bau von U-Booten spezialisierte Großwerft in Bremen-Vegesack. Schon im Ersten Weltkrieg waren dort Kriegsschiffe gebaut worden. Während des Zweiten Weltkriegs gehörte die Werft erneut zu den wichtigsten Produzenten von Kriegsschiffen. Auf dem Höhepunkt des Kriegs arbeiten dort 4500 Menschen, etwa 540 von ihnen waren Zwangsarbeiter:innen und Kriegsgefangene. 

Eine Schlägerei in der Kantine

Essensmarke aus der Kantine des Bremer "Vulkan" Quelle: privat / Denkort Bunker Valentin

Im September 1943 geriet Klaas Touber in der Kantine der Werft in eine Auseinandersetzung. Touber wurde von einem Deutschen aus der Schlange gerissen, die um Essen anstand. Er wehrte sich, es kam zu einer Schlägerei. Ein Freund, Piet Verburg, der ihn verteidigte, bezahlte sein Eingreifen mit dem Leben. Er starb im KZ Neuengamme. Jahrzehntelang fühlt Klaas Touber sich schuldig am Tod des Freundes.

„Disziplinierung“ in Farge

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Entlassungsschein des AEL Farge für Klaas Touber, Oktober 1944 Quelle: privat / Denkort Bunker Valentin

Transkript:

Arbeitserziehungslager Bremen - Farge Bremen-Farge, den 15.10.194 Entlassungsausweis! Der Holländer Klaas Touber geboren am 27.7.22 in Amsterdam welcher sich seit dem [unleserlich].43 im Arbeitserziehungslager Bremen-Farge befand, ist heute am 15.10.43 entlassen worden. Der Lagerkommandant: [Unterschrift]

Touber selbst wurde von der Bremer Gestapo in das „Arbeitserziehungslager“ Bremen-Farge gebracht. Dort sollte er 56 Tage lang bleiben. Während dieser Zeit musste Touber unter brutalsten Bedingungen Zwangsarbeit auf der Baustelle des Bunkers „Valentin“ leisten. Am Ende seiner Haft wog er nur noch 40 Kilogramm. Nach der Entlassung wurde er zurück auf die Vulkan-Werft geschickt. Von der Haft in Farge sichtbar verändert, sollte er auch als abschreckendes Beispiel für die übrigen Zwangsarbeiter:innen dienen.

Schweigen

Klaas Touber mit seiner Tochter Pauline Quelle: privat / Denkort Bunker Valentin

Nach Ende des Kriegs kehrte Klaas Touber nach Amsterdam zurück. In den ersten 18 Monaten musste er wegen einer Tuberkuloseerkrankung in Kur. Nach seiner Genesung hatte Touber den Eindruck, die Folgen des Kriegs überwunden zu haben. Er begann wieder zu arbeiten. Er heiratete seine Frau Dana. Zusammen bekamen sie zwei Kinder. Mit seiner Familie sprach er nicht über seine Zeit in Deutschland.

Schreiben als Therapie

Die Schreibmaschine von Klaas Touber Foto: Jan Meyer, Quelle: privat / Denkort Bunker Valentin

Später bekam Klaas Touber allerdings Albträume. Er wurde immer unruhiger, fühlte sich gehetzt. Vor allem während seiner beruflichen Tätigkeit geriet er deshalb häufig mit Vorgesetzen in Konflikte. 1979 ging er als „nervenkrank“ in Frührente.  Erst die Arbeit mit dem Psychoanalytiker Hans Keilson half ihm, ein halbwegs normales Leben zu führen. Touber begann zu malen, vor allem zu schreiben. 1995 erschienen seine Erinnerungen an die Haftzeit mit dem Titel „Hortensien in Farge“ im Bremer Donat-Verlag.

Als Zeitzeuge in Bremen

Klaas Touber, André Migdal und Elio Tomasi bei einem Besuch in Bremen, 2000 Quelle: Internationale Friedensschule

1983 kehrte Touber zum ersten Mal nach Deutschland zurück. In Bremen traf er auf Mitglieder der „Internationalen Friedensschule Bremen-Nord“. Die Friedenschule engagierte sich für die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen in Bremen. Gemeinsam mit den Bremer Aktivist:innen besuchte Klaas von nun an Veranstaltungen und Schulen, um von seinen Erfahrungen zu berichten. 1999 erhielt er den „Franco-Paselli-Friedenspreis“ der Friedensschule.

Bitte um Anerkennung

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Auszug aus dem Schreiben an den Bremer Vulkan Quelle: Staatsarchiv Bremen

Transkript:

Ich kamm aus Vegesack in Holland zurück mit Tuberkulose und musste mich 1½ Jahr an einer Kur unterziehen. Dass war nicht dass schlimmste. Körperliche Krankheit genest ohne Schaden, obwohl es meine Möglichkeiten auf den Arbeitsmarkt ermässigte. Zehn Jahre nach dem Krieg wurde ich überfallen durch Nachtmahrs, Angsten und Ansturmen von Agression. Träume, immer Träume. Wenn ich 57 Jahr alt war musste ich mit meiner Arbeit Schluss machen. Ich wurde Arbeitslos. Ich wusste damals noch nicht dass meine Arbeitsunfähigkeit eine Zwangsläufigkeit des Krieges war. Ärgerlich langsam wurde es mir deutlich dass ich Nervenkrank war durch 2½ Jahr Zwangsarbeit und mein Aufenthalt in Farge. Wieviel hat der Bremer-Vulkan an mir verdient während diese Jahre! !!

1986 wandte sich Klaas Touber an den Bremer „Vulkan“. Er bat um eine kleine Entschädigung. Er schilderte seine Erlebnisse auf dem „Vulkan“: Die Arbeitsbelastung, die Angst bei Luftangriffen, den Hunger. Er schilderte die Albträume, die ihn immer noch verfolgten. Er habe ein Trauma: Farge und der „Vulkan“ seien immer noch in seinem Kopf. Er bat um 100 Mark für jeden Monat geleisteter Zwangsarbeit. 360 Mark wären es insgesamt gewesen.

Bitte um Verständnis

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Antwort des Bremer Vulkan auf die Bitte um Entschädigung Quelle: Staatsarchiv Bremen

Transkript:

BREMER VULKAN AG SCHIFFBAU UND MASCHINENFABRIK BREMEN-VEGESACK - 2 - Verstehen Sie aber bitte, daß wir nach so langer Zeit keine konkreten Tatsachen erkennen können, die für uns eine Schadenersatzverpflichtung begründen. Ihnen ist sicher aus Holland bekannt, daß die Werften um ihr Überleben kämpfen müssen. Ohne die Förderung aus Steuermitteln würde unsere Werft schon nicht mehr bestehen. Unsere Mitarbeiterzahl mußten wir auf die Hälfte des Bestandes reduzieren, die wir noch Mitte der 70er Jahre aufzuweisen hatten. In diesem Jahr müssen wir noch einige hundert Mitarbeiter, sofern sie das 55. Lebensjahr vollendet haben, in den vorzeitigen Ruhestand schicken. Sie selbst schreiben, daß Sie bis zum 57. Lebensjahr gearbeitet haben. Bitte haben Sie Verständnis dafür, daß es uns in der gegenwärtigen Situation nicht möglich ist, Ihnen einen Schadenersatz zu zahlen. Wenn wir dies nach unserer finanziellen Lage tatsächlich leisten könnten, dürften wir ein solches Angebot nicht nur Ihnen machen, sondern müßten auch den vielen Menschen, die damals mit Ihnen diese Zeit durchgestanden haben, bzw. deren Hinterbliebenen entsprechende Geldzahlungen zukommen lassen. Wie gesagt - wir sind dazu leider nicht in der Lage. Mit freundlichem Gruß BREMER VULKAN AG Schiffbau und Maschinenfabrik [Unterschrift]

Der Vorstand des „Vulkan“ – an seiner Spitze Friedrich Hennemann – lehnte ab. Man habe keine Unterlagen mehr, die den Anspruch begründen könnten. Außerdem gehe es der Werft wirtschaftlich schlecht. Und wenn man Touber entschädige, hätten auch viele weitere ehemalige Zwangsarbeiter:innen Anspruch auf eine Entschädigung.  

Ein letzter Bericht

Klaas Touber während eines Interviews im Jahr 2010 Foto: Henry Fried, Denkort Bunker Valentin

Klaas Touber gab den Mitarbeiter:innen des Denkort Bunker Valentin 2010 ein lebensgeschichtliches Interview. Nur wenige Monate später, am 23. Januar 2011 starb er im Alter von 88 Jahren in seiner Heimatstadt Almere.

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