Weiterleben nach der Razzia
Der Hölle entkommen
Am 4. Juni 1945, wenige Tage vor seinem 19. Geburtstag, kehrte der Franzose Raymond Portefaix in die heimatliche Auvergne zurück. Ein Jahr vorher, am 24. Juni 1944, war er, zusammen mit über 100 Männern aus seiner Stadt Murat, Opfer einer „Vergeltungsaktion“ der Wehrmacht gewesen und wenige Wochen später ins Konzentrationslager Neuengamme deportiert worden. Nur 34 von ihnen überlebten die unmenschlichen Arbeits- und Haftbedingungen. Der junge Raymond Portefaix war einer von ihnen.
Schreiben um zu überleben
Für die traumatisierten KZ-Überlebenden stellte sich der Weg zurück ins „normale“ Leben als eine brutale Herausforderung heraus. Wie erzählen, was einem widerfahren ist? Wie weiterleben mit dem Gefühl der Schuld, als einer der wenigen überlebt zu haben? Die Eltern von Raymond Portefaix rieten ihm, das Erlebte aufzuschreiben. Zunächst erschienen seine Erinnerungen in einer Lokalzeitung, 1947 dann als Buch. Es trug den Titel „Die Hölle, die Dante nicht vorhergesehen hat."
Weiterleben
Raymond Portefaix studierte Jura und wurde Rechtsanwalt. Er wurde Vater von vier Kindern, denen er nie etwas über seine KZ-Haft erzählen konnte. Für den Film „Der Bunker“ erklärte er sich 1988 bereit, die lange verdrängten Erinnerungen an die Zeit in Farge zurück zu holen. Das Interview fand in seiner Pariser Wohnung statt. Von dem Interview erfuhren seine Kinder erst 35 Jahre später.
50. Jahrestag der Razzia
An den Gedenkveranstaltungen, die jedes Jahr im Juni in der kleinen Stadt Murat organisiert werden, nahm Raymond Portefaix nur selten teil. Der 50. Jahrestag der Razzia stellte ein besonderes Datum dar. Zu dem Anlass hielt er eine Rede am Pont Notre-Dame, dort wo am Nachmittag des 24. Juni 1944 die über 100 Geiseln zusammengepfercht worden waren. Nach Deutschland kehrte Raymond Portefaix nie zurück.
Graphic Novel
Teile des Berichts von Raymond Portefaix wurden für das Buch „Hortensien in Farge“ (Donat Verlag, 1995) ins Deutsche übersetzt. Dem Bremer Künstler Jens Genehr dienten sie, neben dem 1988 durch Thomas Mitscherlich und Barbara Johr geführten Interview für den Film „Der Bunker“, als Grundlage für seine Graphic-Novel „Valentin“.