Exhumierungen

Verscharrt in der Feldmark

Abgebildet ist eine Luftaufnahme in schwarz-weiß. Sie zeigt anhand einer nachträglich eingefügten schwarzen Linie den Sandweg, der zum Gräberfeld der Rekumer Feldmark führte. Man sieht auf der Luftaufnahme ansonsten vor allem Felder und große Kreise, die vermutlich Öltanks oder Silos darstellen.
Vom KZ Farge führte ein Sandweg, hier schwarz markiert, zum Gräberfeld in der Rekumer Feldmark, Luftbild, 19. April 1945
Quelle: Heimatverein Farge-Rekum

Wie viele Menschen genau beim Bau des Bunkers "Valentin" ums Leben kamen, ist bis heute unklar. Vermutlich starben bis zu 1.600 Menschen. Viele waren Häftlinge des KZ-Außenlagers Farge und des "Arbeitserziehungslagers" in Farge der Bremer Gestapo. Sie wurden auf einem provisorischen Gräberfeld verscharrt, das zwischen beiden Lagern lag. 

Umgang mit den Toten

Gezeigt werden 11 Männer auf einem schwarz-weißen Bild. Sie stehen vor einem ausgehobenem Gräberfeld. Im Hintergrund sieht man einen Zaun. Das Gräberfeld ist durch ein aus Stöcken zusammengebundenem Holzkreuz im Vordergrund gekennzeichnet. Die Männer tragen mutmaßlich alle schwarze Kleidung und Mäntel sowie Kopfbedeckung.
Öffnung des Gräberfeldes in der Nähe des KZ-Außenlagers Farge, Frühjahr 1949
Quelle: Arolsen Archives

Im Oktober 1945 beschlossen die amerikanische Militärregierung und der Bremer Senat die Errichtung eines "KZ-Ehrenfriedhofs" in Farge. Die Pläne wurden allerdings nie verwirklicht, weil es Streit wegen der Finanzierung gab. Die Toten aus Farge wurden stattdessen im Frühjahr 1949 exhumiert und in einem Ehrengrab für die Toten der Bremer Konzentrationslager auf dem Friedhof in Bremen-Osterholz beigesetzt. Für die Bergung der Leichen wurde auch die örtliche Bevölkerung herangezogen, vor allem ehemalige Parteimitglieder.

Zufallsfunde

Gezeigt wird eine handschriftlich verfasste Liste mit Nummern von KZ-Häftlingen. In der untersten Zeile steht als Datum der 8.11.50.
Liste der gefundenen Häftlingsmarken, Juni 1945
Quelle: Arolsen Archives

Transkript:

Nr. bei Leichenfund im ehemaligen Marine-Baugelände Neuenkirchen: 6536. (65365), 65204, 66605 (66604 [in leicht verblasster Schrift dahinter gesetzt]), 46033? (48083) dunkel blond, 44399 (44389)?, 47147, Annemarie. Inrich (Hinrich), 8.11.50 JW.. [handschriftliche Unterschrift].

Im Juni 1949 stießen Bauarbeiter beim Abbaggern von Kies im Bereich der gesprengten Treibstofftanks der Kriegsmarine auf die sterblichen Überreste weiterer Häftlinge, die bei der Exhumierung im Frühjahr übersehen worden waren. Ihre Leichen waren nicht in Einzelgräbern bestattet, sondern übereinander in eine Grube geworfen und mit Sand überdeckt worden. Bei den Toten wurden sechs Erkennungsmarken gefunden. Die Nummern deuten darauf hin, dass drei Häftlinge während der Todesmärsche gestorben und in Farge vergraben wurden. Drei weitere Häftlinge gehörten wahrscheinlich zum Kommando Farge selbst. 

Tatortfotos

Abgebildet wird ein schwarz-weißes Bild in sehr schlechter Qualität. Es sind 9 Männer und eine Frau auf dem Bild zu sehen. Im Vordergrund ist ein Mann zu sehen, der in der Hocke sitzt und den Fundort der Gräber fotografiert. Er ist ein Beamter der Stader Kripo. Neben ihm steht ein Mann, der in die Kamera lächelt. Die anderen Personen beobachten den Prozess.
Ein Beamter der Stader Kripo fotografiert den Fundort, 1. Juni 1949
Quelle: Arolsen Archives

Die Polizei Osterholz nahm noch am gleichen Tag die Ermittlungen auf. Den Beamten war bewusst, dass sich in der Nähe ein KZ befunden hatte. Auch die Bauarbeiter, die die Toten gefunden hatten, wussten das. Die Beamten gingen deshalb davon aus, dass es sich bei den Toten um ehemalige Häftlinge handelte. Der Fundort wurde von der Kriminalpolizei nun wie ein Tatort behandelt. Kriminal-Polizeiobermeister Rossbach machte Fotos, eine Ermittlungsakte wurde angelegt.

Ermittlungen

Abgebildet ist ein händisch angefertigter Lageplan der Fundorte aller Exhumierungen.
Lageplan des Fundortes, Juni 1949
Quelle: Arolsen Archives

Transkript:

Oberer Rand (Norden) 

  • Langes Gebäudeensemble mittig: Evangelisches bzw. ehemaliges Marine-Hospital
  • Markierter Eingang
  • Straße am oberen Rand, Richtungsangabe nach Schwanewede

Linke Seite (Westen)

  • Pfeile zeigen nach oben: Aschwarden
  • nach unten: Farge
  • Eine kleine Häuserreihe mit der Bezeichnung Neuenkirchen
  • Ein Kompass mit der Himmelsrichtung "N -> Z"

Mittiger Bereich

  • Beschriftung ehemaliges KZ-Lager: ein umrandetes Feld mit mehreren Baracken- oder Gebäudesymbolen
  • Ein geschwungener Weg verläuft von Süden nach Norden
  • Vom ehemaligen KZ-Lager führt ein Pfeil nach unten mit der Beschriftung "100m" zum Fundort
  • links und rechts neben dem ehemaligen KZ-Lager: Gesprengtes Bunkergelände (steht links und rechts) mit runden Markierungen versehen, diese sollen vermutlich die Tanklager darstellen

Rechte Seite (Osten)

  • Großes, eingegrenztes Gebiet: Wifo-Gelände

Unterer Teil der Skizze (Süden)

  • Beschriftung: Skizze 1, Betreff: Auffindung von Leichen am 1.6.1949 auf dem ehemaligen Marinebaugelände Bremen Farge (Feldmark Neuenkirchen). Zeichenerklärung: Handschriftlicher Kommentar, nicht lesbar
  • Ganz unten im Bild steht "Farge" mit einem Pfeil nach unten

Die Exhumierung wurde einige Tage später unter Leitung des Erkennungsdienstes der Kriminalpolizei Stade und der Staatsanwaltschaft Verden vorgenommen. Dabei wurden zwölf weitere Leichen gefunden. Ein Gerichtsmediziner aus Göttingen untersuchte die sterblichen Überreste. Er stellte fest, dass mindestens ein Toter an einer Schussverletzung gestorben war. Die Kripo fertigte einen Lageplan des Fundorts an, der in weiten Teilen fehlerhaft ist. Deutlich erkennbar aber ist die Sanddüne, neben der sich das Gräberfeld befand.  

Zeugensuche

Gezeigt wird ein mit Schreibmaschine erstelltes Dokument. Der Oberstaatsanwalt schreibt an die Kripo in Osterholz-Scharmbeck.
Die Staatsanwaltschaft bittet die Kripo in Osterholz-Scharmbeck um weitere Ermittlungen, 15. Juni 1949
Quelle: Arolsen Archives

Transkript:

Der Oberstaatsannwalt 6. Js. 782/49, Verden (Aller), den 15. Juni 1949, Polizeikreis Osterholz, Eingegangen am 16.6.49 [handschriftlich hinzugefügt]. 

Vfg. 1.) Akten heften. Die Lichtbildmappe wird Beiheft. 2.) Urschr. m.A. ohne Beiheft der Kripo in Osterholz-Scharmbeck mit dem Ersuchen übersandt, den Dr. med. Heidbreder in Bremen-Farge eingehend zur Sache zu vernehmen. Mir scheint es zweckmässig, wenn in diesem Fall trotz der örtlichen Unzuständigkeit ein Beamter der dortigen Dienststelle, der mit dem Sachverhalt vertraut ist, die Vernehmung durchführt. Weiterhin bitte ich, den ehemaligen Lagerführer des KZ.-Lagers Neuengamme Walldorf zu ermitteln. In welcher Anstalt verbüßt er seine Strafe? 3.) 10.7.1949, Im Auftrag Nils [handschriftliche Unterschrift].

Die Ermittlungen endeten nicht mit der Untersuchung der gefundenen Toten. Der Oberstaatsanwalt in Verden forderte die Kripo auf, den Farger Arzt Dr. Walter Heidbreder zu vernehmen. Auch nach dem Lagerkommandanten „Walldorf“ sollte gesucht werden. Gemeint war Karl Walhorn, Kommandant des „Arbeitserziehungslagers“ (AEL), nicht des KZ-Außenlagers. Heidbreder gab an, nicht der zuständige Arzt des Außenlagers gewesen zu sein. Die Ermittler wussten nicht, dass auch Tote des AEL im Bereich der Fundstelle vergraben worden waren. Zu ihnen hätte Heidbreder Auskunft geben können. 

Anonyme Beisetzung

Gezeigt wird ein Bild von einem Friedhof im Winter. Im Hintergrund sind Bäume ohne Laub und Büsche zu erkennen. Im Fokus liegt ein Weg mittig des Bildes, welcher links und rechts mit Grabsteinen versehen ist.
Der Friedhof des ehemaligen Marinehospitals, 2012
Quelle: Denkort Bunker Valentin/LzpB Bremen

Ende Juni wurden die sterblichen Überreste der ehemaligen Häftlinge auf dem Friedhof des ehemaligen Marinehospitals Neuenkirchen beigesetzt. Die Ermittlungen gingen aber zunächst weiter. Vor allem sollte Heinz Weidemann vernommen werden, der inzwischen als für das KZ-Außenlager zuständiger Arzt galt. Letztlich wurden die Ermittlungen eingestellt, weil sich weder weitere Namen noch Todesursachen feststellen ließen. 

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