Lilja Girgensohn arbeitet in Ihrem Buch ein bisher nur wenig erforschtes Kapitel der letzten Kriegsphase auf: Die Räumung der Außenlager des KZ Neuengamme aus dem nordwestdeutschen Raum zwischen Ende März und dem Kriegsende Anfang Mai 1945 – darunter auch das KZ-Außenlager Bremen-Farge.
Die Studie beruht auf zahlreichen Dokumenten und den Berichten der Überlebenden über die Märsche und Transporte, die von den Häftlingen als "Todesmärsche" bezeichnet wurden. Zehntausende Häftlinge wurden bereits seit Mitte 1944 unter brutalen Bedingungen ins Reichsgebiet getrieben, immer dort, wo die Alliierten an Ost- und Westfront näher rückten. Girgensohn arbeitet heraus, dass diese Märsche trotz unterbrochener Befehlsketten und zerstörter Infrastruktur keineswegs chaotisch verliefen. Die SS erhielt die rassistische Ordnung der Konzentrationslager auch jenseits der Lagerumzäunung aufrecht. Die Wachmannschaften handelten im Sinne der NS-Ideologie und versuchten alles, um die Häftlinge an ein Ziel zu bringen. Dies alles geschah nicht mehr im Verborgenen, sondern vor den Augen der Öffentlichkeit. Die Kolonnen wurden durch Städte und Dörfer getrieben, unübersehbar für die Bevölkerung. Hilfsaktionen blieben die absolute Ausnahme. Im Gegenteil: Gelang Häftlingen die Flucht, wurden sie mit Hilfe der Anwohner:innen entlang der Strecke gejagt, gefangen und ermordet.
Girgensohns Buch beschreibt diese letzten Verbrechen eindrücklich und leistet damit einen wichtigen Beitrag zu einer vollständigen Geschichte der Konzentrationslager im Norden.
Girgensohn, Lilja: „Es heißt krepieren oder marschieren“. Die Räumung der KZ-Außenlager in und um Bremen 1945, Herausgeber: Landeszentrale für politische Bildung Bremen, Erinnern für die Zukunft e.V., Edition Falkenberg, 2025, 156 Seiten - 24,90 Euro.