Geschichte

Biografien

Miquel Obradors Mas

Miquel Obradors Mas.
Ob das Foto vor oder während seiner Zeit im Exil entstand, ist nicht bekannt.
Foto: private Sammlung

Miquel Obradors Mas wurde am 13. September 1900 in Navàs, einer kleinen Gemeinde in der spanischen Region Katalonien, geboren. Er war Mitglied der Esquerra Republicana de Catalunya (Republikanische Linke Kataloniens, ERC), einer linken Regionalpartei, die sich für die Unabhängigkeit Kataloniens einsetzte. Als im Oktober 1934 rechte Parteien den Wahlsieg errangen, riefen sozialistische Organisationen zu einem landesweiten Generalstreik auf, der darin mündete, dass in Katalonien die unabhängige Republik ausgerufen wurde. Die Zentralregierung schlug den Aufstand nieder; tausende Aufständische wurden in den folgenden Monaten verhaftet. Unter ihnen befand sich auch Miquel Obradors. Er war bis Mai 1935 inhaftiert.

Am 29. Januar 1939 marschierten die franquistischen Truppen in Navàs ein. Auf unbekanntem Wege gelangte Miquel Obradors ins französische Exil. Von dort aus schrieb er regelmäßig an seine Familie. Erhalten geblieben sind nur die Umschläge. Im – ab Sommer 1940 teilweise besetzten – Frankreich arbeitete er für verschiedene GTE-Einheiten, ausländische Arbeitskompanien der Vichy-Regierung, in den Départements Aude, Dordogne und Corrèze. An einem unbekannten Datum und unter unbekannten Umständen wurde Miquel Obradors in Frankreich verhaftet: vermutlich von den deutschen Besatzern. Im Jahr 1944 hatte sich der damals 43-Jährige der Résistance in Saint-Cirgues-la-Loutre im Departement Corrèze angeschlossen. Seine Familie erfuhr davon erst Jahre später durch den Bürgermeister des Ortes.

Auch über die Deportation nach Deutschland und seinen weiteren Leidensweg ist wenig bekannt. Am 9. Juli 1944 erreichte Miquel Obradors das Sammellager Royallieu, nahe der Stadt Compiègne, nord-östlich von Paris. Sechs Tage später wurde er von dort ins Konzentrationslager Neuengamme deportiert und anschließend ins KZ-Außenlager Bremen-Farge. Hier verliert sich seine Spur. Er gilt seitdem als verschollen.

 

Persönliche Gegenstände von Miquel Obradors Mas, darunter ein Portemonnaie und Fotos.
Foto: Arolsen Archives

In den frühen 1990er Jahren wussten seine drei Enkelinnen – Montserrat, Neus und Marga – davon noch nichts. Sie versuchten etwas über den Verbleib ihres Großvaters in Erfahrung zu bringen und schrieben an verschiedene Regierungen, Archive und NGOs, jedoch erfolglos. Aus Enttäuschung über das geringe Interesse der Behörden und Botschaften stellten sie ihre Nachforschungen ein.
Zu ihrer großen Überraschung erfuhren sie im Jahre 2018, über zwei Jahrzehnte nach dem Ende ihrer eigenen Recherchen, dass Miquel Obradors nach Deutschland deportiert worden war. Die französische Amicale de Neuengamme hatte sie kontaktiert. War es bisher vielleicht deshalb so schwierig gewesen, etwas über ihn herauszufinden, weil sein Name auf Listen der Fondation pour la Mémoire de la Déportation (Stiftung zur Erinnerung an die Deportation) falsch geschrieben und er als Franzose gelistet war? Von den Arolsen Archives, dem internationalen Zentrum über NS-Verfolgung, erhielten die drei Enkelinnen später auch ein Portemonnaie und Fotografien zurück, die ihrem Großvater in Neuengamme abgenommen worden waren

Im Jahr 2019 wurde in Erinnerung an Miquel Obradors ein Stolperstein in seiner Heimatstadt verlegt. Ein Jahr später – am 5. Juni 2020 – verlegte die Gemeinde Navàs eine Gedenktafel. Sie erinnert an sechs ihrer Bürger, die in deutsche Konzentrationslager deportiert worden sind: Jaume Obradors Grífol, Antoni Barberà Pla, Esteve Flotats Caus, Ramon Sala Besa, Josep Soler Torrens und Miquel Obradors Mas.

Im Januar 2020 besuchte Anja Hasler, freie Mitarbeiterin am Denkort Bunker Valentin, die drei Enkelinnen in Barcelona und führte ein umfassendes Interview mit ihnen durch, das zurzeit übersetzt und ausgewertet wird. Im Rahmen ihrer Masterarbeit im Fach Geschichte an der Universität Bremen erforscht Anja Hasler das Schicksal von spanischen KZ-Häftlingen in Bremen-Farge und die Erinnerungskultur in ihren Familien. Ihre Forschungsergebnisse werden in die Vertiefungsausstellung am Denkort einfliessen.

Die drei Enkelinnen von Miquel Obradors Mas mit Gegenständen, die ihm im Konzentrationslager Neuengamme abgenommen wurden. Sie erhielten sie von den Arolsen Archives, dem internationalen Zentrum über NS-Verfolgung.
Foto: Denkort Bunker Valentin / LzpB

Anja Hasler mit den drei Enkelinnen in Barcelona.
Foto: Denkort Bunker Valentin / LzpB

Der Stolpersein, der an Miquel Obradors Mas erinnert. Im Jahr 2019 wurde der Stolperstein in Navàs verlegt.
Foto: Ajuntament de Navàs

Seit dem 5. Juni 2020 erinnert eine Gedenktafel in Navàs an sechs Bürger der Stadt, die in deutsche Konzentrationslager deportiert worden sind.
Foto: Ajuntament de Navàs

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